Im Zug unterwegs

Geschichten vom Bahnfahren

Begegnungen …

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Viele Geschichten hier in meinem Blog zaubern ein Lächeln auf die Gesichter der Leser und dann wieder denkt man ein wenig über das nach, was man hier zu lesen bekommt. Ich möchte heute von einer Begegnung schreiben, die mir jede freie Sekunde am heutigen Tag geraubt hat. Es war nur ein Moment, fünf Minuten vor der Einfahrt in einen Fernbahnhof Deutschlands …

Ich stand bereit den Zug zu verlassen, um umzusteigen, als ich bemerkte, dass ein kleiner, etwa vierjähriger Junge zu meinen Füßen mit dem „kleinen ICE“ spielte.

der kleine ICE Foto: Deutsche Bahn

Sein jüngerer Bruder lag weinend im Kinderwagen und eine mit der Situation sichtlich überforderte Mutter stand am Kinderwagenbügel und versuchte, den Kleinen zu beruhigen. Wie es eben meine Art ist, mit Menschen zu kommunizieren, kamen die Zugbegleiterin, die Frau und ich ins Gespräch. Sie fragte mich, ob ich Kinder habe und wie alt diese seien. Dann fragte mich der Junge, der immer noch – unter Zuhilfenahme meiner Schuhe – An- und Abfahrten am Bahnhof nachspielte, nach meinem Namen, den ich ihm dann auch nannte. Brav erzogen nannte er mir auch seinen und sein Alter. Aus der Mutter brach es daraufhin hinaus, dass alles so schrecklich sei und sie auf der Flucht vor ihrem Mann. Das kleine Kind weinte und so konnte die Frau nicht mehr weitererzählen, doch die Zugbegleiterin erzählte mir die Geschichte der kleinen Familie mit Tränen in den Augen. Sie drehte sich um häusliche Gewalt, gerichtet gegen die Ehefrau und die Kinder. Die Mutter befindet sich mit ihren Kindern auf der Flucht vor ihrem Mann in ein x-beliebiges Frauenhaus in Deutschland. Völlig ohne Vorwarnung fragte mich der Junge, ob ich meine Frau und meine Kinder auch schlagen würde, was ich verneinte. Er spielte weiter, dann fragte er mich, ob er nun weitergeschlagen würde … Ich versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen und ihm möglichst glaubhaft zu vermitteln (wie man das im Falle eines vierjährigen Kindes einfach tun muss), dass das nun vorbei sei und er nie wieder geschlagen würde und das alles nun gut wird und er bestimmt einen schönen, neuen Kindergarten bekommen würde und super Freunde finden wird. Das schien ihm zu gefallen und die Türen des ICE öffneten sich.

Ich half der Mutter noch den Kinderwagen aus der Türe zu tragen und verabschiedete mich mit den Worten, dass bestimmt nun alles besser würde und wünschte ihr viel Glück auf der Weiterreise. Die Zugbegleiterin sagte mir noch, dass sie nun Feierabend habe und diesen nun auch brauche.

Was ich mit dieser Geschichte sagen möchte ist, dass man nicht nur Heiteres erlebt, wenn man mit der Bahn fährt. Über Vieles habe ich nie geschrieben, denn ich habe es immer mit mir selber ausgemacht, aber heute musste ich diese Zeilen einfach tippen, denn es fahren bestimmt in jedem Zug auch ein paar Schicksale mit, die sich einem nicht auf den ersten Blick offenbaren. Und wenn einmal ein fremdes Kind mit euren Schuhen spielt oder eine Person Hilfe beim Ausstieg braucht, dann springt über euren Schatten und helft diesen Menschen und geht einen kleinen Teil des Weges gemeinsam mit ihnen.

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