Im Zug unterwegs

Geschichten vom Bahnfahren

Setup 24 – Michael Herzog

megame
1) Wer bist du, was machst du und wo haben wir uns das erste Mal kennengelernt?
Mein Name ist Michael Herzog und bis Ende letzten Jahres war ich im Online-Service eines Energieunternehmens für Customer Self Service und Social Media aktiv, aktuell spiele ich im Bewerbungszirkus mit. In meiner Freizeit bin ich Autor und Videograph für das Videospielkulturblog Kollisionsabfrage und habe gerade damit angefangen, alles, was ich dabei so gelernt habe, in Videotutorials weiterzugeben.
AFK habe ich dich das erste Mal auf der Gamescom in Köln kennengelernt, auf Twitter lesen wir uns schon eine ganze Zeit.
2) Welche Bahncard hast Du oder welches Ticket nutzt Du meistens?
Eine BahnCard hat sich bis jetzt noch nicht für mich gelohnt, da ich größtenteils die Angebote der regionalen Verkehrsgesellschaften genutzt habe. Unterwegs war ich mit dem Ticket 2000 des VRR und dem Monatsticket des AVV. Seit ich mir wieder ein Auto zulegen musste, sind es die NRW-Tickets. Praktisch finde ich auch die Hopper-Tickets, wenn ich bei der Familie meiner Freundin in Thüringen bin – übrigens alle eingefleischte DB-Mitarbeiter.
3) Wie oft fährst Du Bahn und welche Züge nutzt Du?
Bis vor wenigen Jahren bin ich jeden Tag drei Stunden vom Ruhrgebiet an den Niederrhein gependelt und drei Stunden wieder zurück, nur um dann in Sichtweite meines Arbeitsplatzes zu ziehen. Inzwischen nutze ich vor allem dem Nahverkehr, wenn mir die Parkplatzsuche zu lästig und alle paar Wochen Fernverkehrszüge wie den ICE oder den HKX, um Freunde oder Veranstaltungen zu besuchen.
4) Platzreservierung oder Risiko?
Im Fernverkehrszug – Platzreservierung! Und zwar möglichst dort, wo es Steckdosen gibt. Ich habe zwar auch schon im ICE auf dem Rückweg von Cebit dritte Klasse am Türabsatz gesessen, inzwischen ist mir der Sitzplatz aber die paar Mark extra wert.
5) Was hast Du meistens bei Deinen Bahnfahrten dabei?
Notizblock und Smartphone sind immer dabei. Den Notizblock für Gedankenspiele und spontane Kreativitätsanfälle. Das Smartphone für Öffi, meinen mobilen Verkehrsberater, Podcasts, kleinere Surfereien, Bilder und Videos von unterwegs. Vor dem Zeitalter der klugen Mobiltelefone hatte ich meine wichtigsten Haltestellenpläne einfach abfotografiert dabei. Das Notebook kommt eigentlich nur noch zum Einsatz, wenn ich ersthaft vorhabe produktiv im Zug zu sein. In dem Fall – Mehrfachsteckdose nicht vergessen, andere Leute am Platz könnten die Stecker schon belegt haben!
6) Wie vertreibst Du Dir die Zeit im Zug?
Morgens auf dem Weg zur Arbeit war das erstmal ein kleines Nickerchen, dann ein mehr oder weniger kurzes Update für das Tagebuch und dann etwas Werkelei am Laptop, untermalt von Musik oder Podcasts. Der Rückweg war dann sozialer, irgendwann kannte man ja seinen Pappenheimer gut genug um nett miteinander zu quatschen. Das ist sowieso das, was ich am Meisten an meinen langen Touren vermisse, die reservierte Zeit für mich auf dem Hinweg und die netten Gespräche auf dem Rückweg. Im Auto lernt man selten Leute kennen, ausser die Anziehungskraft ist so stark, dass sie einem in die Beifahrertür rasen.
7) Was ist für Dich die perfekte Bahnlektüre /-Musik -/Film
Alles, woran man so richtig versinken und die Welt um einen herum vergessen kann. Serien sind ganz klasse, über einen Band Harry Potter habe ich sogar einmal meinen Heimatbahnhof verpasst. Die Spielernaturen machen mit einem rundenbasierten Taktikspiel nie was falsch, für Action ist die bewegungsintensive Zugumgebung nicht so geeignet.
8) Hast Du schon ein nachhaltiges Erlebnis im Zug/auf dem Bahnhof gehabt?
Einige. Man erinnert sich leider hauptsächlich an die eher unangenehmen Erlebnisse, auch wenn diese wirklich selten waren. Einmal habe ich rund drei Stunden in einer eiskalten Winternacht am Dortmunder HBF verbracht und auf einen verspäteten Schlafwagen nach Berlin gewartet. Dieser Bahnhof hat wirklich keine Stelle, an der es nicht wie Hechtsuppe zieht, wenn der Wind geht. Ein anderes Mal habe ich spät abends am Fenster eines Nahverkehr-Vierers gedöst und wurde von einer Gruppe ausgelassener Halbstarker geweckt, welche die restlichen Plätze besetzt und mich damit sozusagen in der Ecke festgepinnt hatten. Nun bin ich kein zartes Blümchen und auch nicht auf den Mund gefallen, da wurde mir aber schon anders.
9) Was findest Du gut im Zug/am Bahnhof?
Es gibt einfach keinen effektiveren Weg, Massen an Pendlern einigermaßen bequem durch die Weltgeschichte zu schicken, als die Schiene. Gleichzeitig mag ich, dass selbst der durchkommerzialisierteste Bahnhof noch eine entspanntere Atmosphäre hat als unsere sterilen Flughäfen mit ihrem albernern Sicherheitstheater. Mit Apps und hilfreicheren Anzeigetafeln ist die Bahnfahrt dazu noch immer einfacher geworden, auch wenn mir hier noch ein bisschen Kapazitätssteuerung fehlt. Man sieht es immer wieder, dass sich der halbe Bahnhof in den Schweineexpress quetscht und der kurz nachfolgende Zug in die gleiche Richtung halb leer abfährt.
10) Was stört Dich im Zug/am Bahnhof
Mich stört, dass sich immer mehr Bahnhöfe von einem quasi öffentlichen Raum in eine Art straff geordnetes Einkaufszentrum verwandeln. Das ist toll, wenn man zur Hauptgeschäftszeit auf der Durchreise ist, wird aber zum Problem, wenn man zu gottlosen Zeiten ein paar Stunden vertrödeln muss. Gerade auf mittelgroßen Bahnhöfen verschwinden im Zuge von Umbaumaßnahmen gerne mal geheizte Aufenthaltsräume, die im Gegensatz zu den Läden ja nur Kosten verursachen.
11) Gibt es eine Anekdote von einer Bahnfahrt die Du hier mitteilen möchtest?
Vielleicht nicht mitteilen, aber zeigen. Da ich zu dieser Zeit gerade die Videographie für mich neu entdeckte, habe ich meine Kamera auf meinen Arbeitsweg mitgenommen und die Stationen der täglichen Odyssee festgehalten. Herausgekommen ist eine rund 4 Minuten lange Videokollage namens “There Again”, die ihr euch immer noch unter https://vimeo.com/4080282 ansehen könnt.
12) Wie sieht für Dich der Personenverkehr der Zukunft aus?
Unseren Fetisch für Autos und das gesamte Konzept des Individualverkehrs halte ich für eine Sackgasse. Ich sehe keinen Sinn darin sich eine Tonne Metall in die Gegend zu stellen, die man einmal am Tag fünfzig Kilometer in die eine und später am Tag fünfzig Kilometer in die andere Richtung bewegt. Wenn ich die Welt von 2033 skizzieren sollte, wären die Autobahnen modernen Fernverkehrsgleisen gewichen. Dichte U-Bahn-Netze durchziehen die Metropolen und haben die sperrigen Buslinien schon lange verdrängt. Für den Individualverkehr habe ich bei Bedarf auf meinem Samsapple Galaxyphone S22 eine Autotaxi-App, über die ich ein automatisch fahrendes Gefährt bestellen kann in der Konfiguration (Kofferraum, Sitze, Reichweite), die ich gerade brauche. Wenn ich angekommen bin, verschwindet das Autotaxi zum nächsten Einsatzort oder in das Zentrallager. Wenn wieder los will, kommt in 5 Minuten das Nächste und bringt mich nach Hause.
Für Kleinstädte und Dörfer müsste man sich allerdings was anderes überlegen – das habe ich gemerkt, als ich dort ohne eigenes Auto praktisch nicht mobil war. Dort fährt nur derjenige Zug und Bus, dem man keinen Führerschein geben wollte und so sieht die Infrastruktur auch aus.

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