Im Zug unterwegs

Geschichten vom Bahnfahren

Mit einer Portion Hunger – ausgestiegen in Zeeland

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Warum in die Ferne schweifen, wenn das Schöne ist so nah?

Ich lebe im Rheinland und wenn ein Rheinländer mal an die See möchte, so fährt man nicht nach Italien, Sankt Peter Ording oder Timmendorf, sondern nach Zeeland. Von meinem Wohnort kann man die Küste in rund drei Stunden erreichen. Aber lest doch selbst, was einen dort erwartet:

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Zeeland liegt im Südwesten der Niederlande und ist – gemessen an der Einwohnerzahl – die kleinste Provinz Hollands. Das Zusammenspiel von Wasser und Land hat die Region um Walcheren, Nood-Beverland, Tholen, Schouwen-Duiveland, Sint Philipsland und Zuid-Beveland geprägt. Einst eine der ärmsten Regionen des Landes, gebeutelt durch Naturkräfte, die immer wieder am Land zerrten. Seit dem Mittelalter ist der Kampf zwischen Natur und Mensch ein wichtiger Bestandteil des Lebens. Die schlimmste Flut 1953, die offiziell 1.835 Menschen das Leben gekostet hat, wurde dokumentiert. Mit dem Delta-Plan beschloss die Regierung dann im Jahre 1958 etwas gegen die Naturgewalten zu unternehmen und heute kann man die Dämme und das Delta-Werk besichtigen. Die Küstenlinie hat sich seit dem Bau drastisch verändert: Sie wurde von einst 355 km auf 60 km verkürzt.

deltawerk

Ackerbau, Obstanbau, Fischerei, Miesmuschel- und Austernzucht, Chemie-Industrie und der Toursimus bestimmen die heutigen Einnahmenquellen der Region. Als sehens-/besuchenswerte Städte würde ich Goes, Middelburg, Zieikzee und Veere nennen. Geschichtlich Interessierte können sich auf den entsprechenden Wiki Seiten und den Fremdenverkehrsseiten austoben, ich möchte meinen Fokus heute jedoch auf meine Eindrücke der letzten 20 Jahre richten.

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 Die immerwährende Frage: Wo übernachtet man bloß?

Ich bin kein Ferienhaussiedlungstyp und Camping ist auch nicht mein Ding. Ich bevorzuge schöne, landestypische, alte Häuser – am liebsten auf dem Land, in einem kleinen Dorf. Direkte Strandnähe brauche ich nicht unbedingt, da man in Zeeland den Strand zumeist innerhalb eines Radius von 10 km erreichen kann.

So habe ich vor einigen Jahren ein Haus in Stroodorp gemietet. Stroodorp ist ein kleines Dorf in der Nähe von Kamperland, das aus ca. 20 Häusern besteht. 10 auf dem Deich und 10 unter dem Deich. Hier findet man absolute Ruhe, es sei denn, es ist Erntezeit und die Traktoren mit den Erntemaschinen befinden sich 24 Stunden auf den Feldern. Das Haus entspricht aber heute nicht mehr meinen Bdürfnissen, da es dort keine Internetverbindung gibt und es einfach zu klein ist für eine vierköpfige Familie.

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So haben wir in den letzten Jahren in einem Haus in Breskens übernachtet, was zwar in einem Ferienpark liegt, aber da der Park schon alt und gewachsen ist und wir nicht ins Wohnzimmer oder in den Garten des Nachbarn sehen mussten, war es sehr schön. Die Ausstattung des Hauses ist perfekt für eine Familie mit zwei Kindern, die mit den Großeltern verreisen möchten. Strandnähe ist hier in Laufweite gegeben und einen Supermarkt erreicht man in 5 Minuten mit dem Fahrrad. Wer auf WLAN im Urlaub nicht verzichten möchte, muss in den schönen Garten gehen, denn die Antennen des Ferienparks reichen nicht bis ins Haus. Der Schoneveld Park bietet ein Hallenbad, einen angrenzenden Campingplatz, ein Restaurant, eine Bowlingbahn und einen kleinen Supermarkt. Kinder können auf den zahlreichen großen Spielplätzen spielen und sicher mit dem Fahrrad unterwegs sein. Nur ist dieses Haus schlecht zu buchen, da man mindestens ein Jahr im voraus buchen muss, da es so begehrt ist. Und wer kann das schon?

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Durch einen Zufall bin ich in diese Jahr auf dieses Haus gestoßen.  „de Tol“ („das Zollhaus“) aus dem Jahre 1768 bietet bequem sechs Personen Platz mit maximal ein bis zwei Kindern.

de tol

Da das Haus in den Jahren 2012/2013 umfangreich renoviert worden ist, lässt die Ausstattung nichts zu wünschen übrig. Von einem Weber Grill bis hin zu vier Fahrrädern, einem Eisschrank, Waschmaschine und Trockner, ausreichend Besteck mit scharfen Messern und WLAN findet man alles in einem sehr geschmackvollen Mix aus IKEA Möbeln und antiken Stücken. Das einzige Manko ist, dass sich alle ein Badezimmer teilen müssen, was am Morgen oder nach einem Strandtag nach einem ausgeklügelten Zeitmanagement schreit 😉 Die Lage ist genau die, die wir bevorzugen und der Strand ist in 1,2 km mit dem Fahrrad bequem in zehn Minuten zu erreichen. Dieses Haus ist nun zu meinem Favoriten erklärt worden und bestimmt werden wir dorthin wieder fahren, denn die Vermieter sind sehr freundlich und das ist schon die halbe Miete.

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Der Ort Biggekerke liegt 7 km von Vlissingen/Middelburg entfernt und hat einen typischen Ortskern, bestehend aus einer Kirche in der Mitte, die von Häusern eingerahmt wird. In Biggekere findet jedes Jahr das Solxrace statt, was wir dieses Jahr zum ersten Mal besucht haben.

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Wovon ernährt man sich in Zeeland ?

Ok, wir befinden uns in den Niederlanden und man muss in eine der vielen Frittenbuden gehen und sich fettig und ungesund ernähren. Das ist so, wie wenn man nach Deutschland reist und keine Wurst isst und kein Bier trinkt. Also: Frikandel, Kaassouffle, Frittenspezial, Fleischkrokette, Sate-Spieß, Bitterballen, Kaascroket, Kibbeling muss probiert und gegessen werden und das nicht nur ein Mal. Die Pfunde, die man sich auf die Hüften packt, müssen dann durch extremes Fahrradfahren, ausgiebige Strandspaziergänge oder Gewaltmärsche durch die Felder kompensiert werden, aber das leckere Essen ist es wert, etwas mehr Bewegung in seinen Tagesablauf zu bringen.

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Meine Favoriten im Bereich der klassischen Frittenbude sind in Vrouwenpolder „de Lekkerbek“ und in Oostburg „de Kiosk“ Es gibt bestimmt noch viele gute weitere Imbisse, lasst es mich wissen, dann teste ich diese in einem der nächsten Urlaube.

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Es gibt aber natürlich auch andere kulinarische Tipps, die ich euch nicht vorenthalten möchte.

Fisch:

Frisch vom Kutter kauft man am besten bei Bruinvis in Kamperland:
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Fleisch:

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Fern von den Supermarktmetzgereien habe ich die Metzgerei Wisse in Meliskerke gefunden – in den Niederlanden eher eine Seltenheit; findet man dort doch überwiegend Supermarktmetzgereien vor. Das Fleisch und die Wurst, die wir dort gekauft haben, war phantastisch und der Weg nach Meliskerke lohnt sich alleine für diese Metzgerei.

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Brot:

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Ja, viele meckern über die Brotqualität in den Niederlanden. Gut, das kann man nachvollziehen, da wir Deutschen wirklich das Land mit der größten Brotauswahl sind. Aber an einem frischen Hollandbrot gibt es m.E. nichts, aber absolut gar nichts auszusetzen. Wenn man mal angefangen hat und das Brot frisch ist, dann ist es meistens auch nach dem Frühstück oder Abendessen komplett gegessen worden. Einen guten Bäcker findet man auch in Meliskerke: die Bäckerei Koppejan. Diese unterhält Filialen auch in Koudekerke und Westkapelle.


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Käse:

Der legendäre Käsemarkt von Gouda, Alkmaar und Edam ist von Zeeland in 1-2 Stunden mit dem Auto erreichbar. Lokale Käsegeschäfte findet man aber in den Städten Goes und Middelburg. In jedem Fall sollte man mindestens ein Mal in ein solches Geschäft gehen. Die Auswahl an holländischem Käse ist gigantisch und mir hat einmal eine Käseveräuferin erklärt, dass die Niederländer den guten Käse im Land lassen, da die produzierte Milchmenge des Landes gerade mal für die Niederlande reicht und der Goudakäse, den man in Deutschland meistens kaufen kann, nur mit zugekaufter Milch gefertigt und ausschließlich für den Export produziert wird.

Mehl:

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Es kann ja durchaus passieren, dass man im Urlaub auch mal aktiver Backen und Kochen möchte als zu Hause. Ein Besuch in der Mühle Brasser&Zoon in Biggekerke lohnt sich sehr. Man kann in der Mühle noch sehen, wie das Korn zu Mehl verarbeitet wird. Die Mühle dreht sich jeden Tag und wenn man freundlich fragt, dann ist der Müller gerne bereit, sein Schmuckstück von 1712 zu zeigen und zu erklären. Der kleine Mühlenshop bietet viele verschiedene Backmischungen aus eigener Produktion, Tiernahrung und Tierzubehör. Übrigens backt der Bäcker Koppejan mit eben dem Mehl aus dieser Mühle.

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Eier:

Es gibt da einen Kühlschrank auf einem Bauernhof mitten im Nichts – zwischen unendlichen Feldern.  In diesem Kühlschrank liegen frische Eier – meist am selben Tag gelegt. Wer es weiß, der fährt hin


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und steckt zur Zeit € 1,40 in eine breitstehende Schale während andere die Eier im Supermarkt kaufen müssen. Legebatterien gibt es in Holland glücklicherweise jedoch nicht mehr und alle Hühner müssen freiland gehalten werden.

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Was ich an Zeeland so liebe ist, dass die lokalen Bauern eng mit der lokalen Wirtschaft verbunden sind. Die Mühle mahlt das Korn des Bauern um die Ecke zu Mehl, dass dann der nahegelegene Bäcker zu Brot verarbeitet und die Kühe und Hühner die man auf den Bauernhöfen der Region sieht, kommen in erster Linie zu den lokalen Metzgern. So war es in Deutschland vor ein paar Jahren auch noch, aber heute muss man schon sehr genau nachfragen und suchen, umd wirklich lokale Nahrungslieferanten zu finden – sehr sehr schade, wie ich finde!

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Eine sehr gute Übersicht der Betriebe, bei denen man frische Waren direkt vom Erzeuger kaufen kann, findet man auf dieser Seite.

Restaurants:

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Gerade in Sachen Essen gibt es so viele verschiedene Geschmäcker. Deswegen habe ich hier nur ein paar Restaurant genannt, in denen man eigentlich immer etwas auf der Karte findet, es sei denn, man ist Veganer.

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Goes: Karel V

Middelburg: de eetkamer

Veere: de Peperboom

Sluis: Oud Sluis

Zierikzee: Schuithaven 6

Cadzant: pure C

Wo und wie man sich in Zeeland bettet:

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Wie ich vorhin schon geschrieben habe, ziehe ich dem Campingplatz oder dem Ferienpark ein Ferienhaus auf dem Land vor. Wenn es aber mal ein Spontantrip sein soll, dann findet man mit Bed and Breakfast die beste Übernachtungsmethode in Zeeland.

Ich würde in den Niederlanden immer ein B&B einem Hotel vorziehen. Das Netz der Hostels, B&Bs und Pensionen ist dicht und man kann immer ein sauberes Bett finden. Da es so viele gibt, möchte ich hier nur ein paar Möglichkeiten aufzählen:

Veere: Bed and Brood

Ooskapelle: Villa Magnolia

Retranchement: Veerhoeve

Was kann man alles in Zeeland machen?

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Wenn man Einkaufen gehen möchte, so kann man das in Middelburg und Goes sehr gut machen. Wenn man in Zeeuws-Vlanderen ist, dann eignet sich das belgische Knokke und Brügge sehr gut. Wenn man in Schouwen-Duiveland ist, dann lohnen sich Abstecher nach Rotterdamm und Amsterdam. Antwerpen ist auch nicht weit und immer eine Reise wert.

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Fahrrad:

Wenn eine neue Straße in Holland gebaut wird, dann baut man gleich den Fahrradweg daneben. Ein Traum, den wir Deutschen bis heute nicht hinbekommen, bis auf wenige Ausnahmen wie Münster.

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Den besten Fahrradservice bekommt man in Vlissingen bei „de Fietsenmakker“ Der Chef spricht Deutsch, ist sehr freundlich und unglaublich kompetent – ein Besuch lohnt sich.

Sonst kann man sich in Zeeland eigentlich nur das Fahrrad schnappen und auf eine Tour gehen. Das Fremendenverkehrsamt von Zeeland bietet einige Routenvorschläge.

Auto:

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Das Auto kann eigentlich die ganze Zeit am Ferienort stehen bleiben. Weit bewegen muss man sich nicht und höchstens, wenn ein Wocheneinkauf ansteht oder man einen weiteren Ausflug plant, muss man den Wagen vom Parkplatz holen.

Nicht nur am Strand ist es schön, …

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sondern auch in den Museen der Region. So kann man die Abtei „Onze-Lieve-Vrouwen“ in Middelburg besichtigen und das Stadhuis. Miniantuur Walcheren ist auch immer einen Besuch wert, da im Maßstab 1:20 die gesamte Insel nachgebaut wurde. Das Deltawerk, also den Damm zwischen Walcheren und Schouwen-Duiveland kann man besichtigen und der Neeltje Jans ist auch sehenswert. In Vlissingen findet alle fünf Jahre ein Hafenfest mit großer Parade statt und in Biggekerke trifft man jedes Jahr im August auf das legendäre Solexrennen.

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Die Altstadt von Zierikzee steht seit den 1960er Jahren unter Denkmalschutz und man kann sich diese somit auch gerne fotografisch erschließen. Wenn man einen malerischen Hafen besichtigen möchte, so kann man das am besten in Veere machen. Der Ort ist historisch sehr interessant, da von dort die meisten Schiffe in die holländischen Kolonien abgingen. Hulst hat seine Stadtwälle aus dem 16. Und 18. Jahrhundert komplett erhalten.

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Die Bahn in Zeeland

Es gibt nur eine Eisenbahnlinie in Zeeland. Diese ist 1870 eröffnet worden und führt von Vlissingen über Middelburg über Goes nach Roosendaal. Es gibt stündliche Verbindungen nach Rotterdam, Den Haag und Schriphol (Flughafen Amsterdam). Eine Museumseisenbahn fährt in den Sommermonaten von Goes nach Hoedekenskerke.

Übrigens: Neuseeland ist nach Zeeland benannt worden

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Ich finde, dass man Zeeland mindestens ein Mal in seinem Leben sehen sollte. Am besten in einem zwei- bis dreiwöchigen Urlaub mit der Familie. Wenn man im Westen Deutschlands lebt, dann kann man auch für einen Kurztripp schnell an die Küste fahren und sich eine Fleischkrokette in einer der Frittenbuden genehmigen. Ich werde bestimmt noch öfters auf die Inseln reisen, denn wenn das Wetter schön ist, dann braucht es keinen Mittelmeerstrand, denn Holland bietet eine gute Alternative zu einer weiten Reise. Preiswert ist es allerdings nicht, denn die Lebenshaltungskosten sind ca 20% höher als in Deutschland, aber die Qualität der Lebensmittel ist meiner Meinung nach dafür auch besser. Was man mal probieren muss, ist Calve Erdnussbutter, Calve Mayonnaise, Connimex Produkte (Gewürzmischungen aus Indonesien), Extra Beelegen Gouda Käse, Bauerngouda, Vla und die Vielzahl an Frühstücksdrinks. Zeeland ist eine Reise wert und ich hoffe, dass ich bald wieder im Auto sitze und mich nach Nordwesten bewege.

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