Im Zug unterwegs

Geschichten vom Bahnfahren

16. Juli 2009
by Sascha
5 Comments

Handyverbot und Ruhezonen

Kennen Sie das? Sie sitzen im Großraumwagen und kommen sich vor wie in der Bahnhofsvorhalle? Mobile Devices (neudeutsch) überall…im Auto wird davor gewarnt, das Handy am Ohr zu haben, nicht nur wegen der Unfallgefahr, sondern auch wegen der Strahlen die sich im Auto befinden, aber im Zug bei bis zu 362 Plus X Leuten auf 200 Metern Länge…Mindestens so viele Mobiltelefone, Laptops, Datenkarten und Herzschrittmacher befinden sich gleichzeitig in der Röhre. Wenn man nun die Wattzahl addiert (was man ja nicht darf) dann kommt man auf eine Mikrowelle mit 750 Watt und bei 1 Minute Garzeit ist die Milch heiß, da habe ich Angst dass mein Körper umgehend getoastet wird.

Jetzt habe ich gestern hinter einem Mitreisenden gesessen, der sehr laut seinen MP3 Player gedreht hatte und seine Ohren einem Leistungstest unterzog. Da ich nicht genau darauf geachtet habe, befand ich mich in dieser typischen Handy-Freien-Zone mit dem hübschen Symbol an der Wand des ICEs. Der Mann vor mir bekam mit (wahrscheinlich hat mich die Spiegelung im Fenster verraten, die man auch gut zum Beobachten der Mitreisenden nutzen kann), dass ich mein Handy am Ohr hatte und schoss zwischen den Sitzen durch -ich konnte seinen Atem riechen (alter Döner mit frischem Bier)- und teilte mir lautstark mit (seine Musik lief immer noch in brachialer Lautstärke) dass ich mich in der handyfreien Zone befinden würde und sofort mein Telefonat zu beenden hätte. Ich zeigte dann lediglich auf das Zeichen das neben dem Handyverbotsschild klebte: Psssst war darauf zu erkennen…

Dann, am kommenden Tag, machte mich eine Frau darauf aufmerksam, dass meine drei Mitpendler und ich uns nicht mehr unterhalten dürften, da wir uns ja in der Ruhezone befinden würden. Aber wir als Profis haben dann direkt darauf hingewiesen, dass wir uns lediglich in der Handy-Freien-Zone befänden und nicht das Symbol „Pssst“ finden können. Wir waren aber dann doch ganz Gentleman, schliefen umgehend ein und schnarchten der Frau im Chor die Ohren voll…

In einem Bahnparkhaus gefunden

13. Juli 2009
by Sascha
4 Comments

Galgenhumor mit der Bahn

Wer behauptet eigentlich, die Mitarbeiter der Bahn hätten kein Humor. Vor ein paar Tagen ereignete sich Folgendes, als der Zug in Berlin in Richtung Hamburg nicht losfahren wollte. Der Schaffner meldete sich aus den Lautsaprechern: “Sehr gehrte Fahrgäste. Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie. Die Schlechte zuerst: Wir verspäten uns voraussichtlich um etwa 30 Minuten. Die Gute: Wir kommen trotzdem in Hamburg an.”

13. Juli 2009
by Sascha
4 Comments

Truppentransport

Sind Sie mal an einem Freitag im Zug ab mittags auf einer der Hauptachsen innerhalb Deutschlands unterwegs gewesen? Grundwehrdienstleistende, Soldaten und Offiziere so weit das Auge reicht. Sie sitzen, liegen, hocken überall im Zug, manche in Uniform, viele in privat. Das Bier fließt in Strömen und die Stimmung erinnert leicht an den Ballermann auf Mallorca, denn jeder hat einen MP3-Player, ein Handy und keine Kopfhörer auf. Der Rhythmus ist aber seltsamer Weise immer gleich, so dass es klingt, als ob die Musik aus einem großen Lausprecher kommt. Wenn sich die Soldaten unterhalten, dann drehen sich die Gespräche der „einfachen“ Soldaten immer und immer wieder über die Vorgesetzten und die Höchstleistungen, die sie in dieser Woche absolviert haben. Wenn sie neben einem Pulk stehen (ich habe übrigens nicht gedient), können Sie was in Waffenkunde lernen. Ich kann nun eine 155mm-Feldhaubitze problemlos bedienen, da der Soldat neben mir eine detaillierte Beschreibung seinem Kameraden gegenüber geliefert hat. Ob ich ein Gewehr nun blind auseinander nehmen kann, das werde ich im Teil 2 des Kursus „Grundausbildung“ morgen kennenlernen.

Das ist doch fast wie die Industriespionage, die man auch jeden Tag im Zug betreiben kann, da wünscht man sich doch glatt eine hoch auflösende Knopfkamera in Stil von James Bond. Besonders ist mir die Powerpoint Präsentation einer Produktneueinführung eines Kekses in Erinnerung, die eine fleißige, junge, extrem wichtige, dynamische Beraterin neben mir einem Finetuning unterzogen hat. Die Frau, Anfang 20 – wahrscheinlich erster Job nach dem 12. Praktikum – leicht gestresst, einen Kaffee nach dem anderen trinkend und einen leichten Hauch von unangenehmen Stressgeruch. Bekleidet mit einem leichten, weißem Blüschen, kurzes graues Kostüm mit schwarzen Pumps (die ausgezogen auf dem Boden liegen), glänzende dunkelbraune Nylons…Sie kennen das bestimmt und wissen wovon ich spreche… Wenn ich nun diese Kamera gehabt hätte, ich wäre heute bestimmt reicher, denn die komplette Rezeptur und der Fertigungsprozess wurde dort offen am Laptop Folie für Folie dargelegt. Ein Glück, dass die Sonne so steil stand, dass ich die ganze Zeit meine Sonnenbrille aufhaben musste und die reizende Dame nichts von meinen Blicken mitbekommen hat.

8. Juli 2009
by
0 comments

ICE-Menschen

Mitmenschen im ICE nach Frankfurt sind immer wieder eine Überraschung, zumal in der familiären Atmosphäre eines Sechser-Abteils. Drei dynamische Damen im Gespräch: “Ein Möhrchen zum Abendbrot reicht mir.” “Ich brauch zwei Becher Kaffee und drei Zigaretten zum Frühstück.” “Ich habe gestern ein Viertel Paprika eingefroren. Da hab ich Sonntag noch eine Gemüsepfanne zuhaus.” “In Nagelstudios arbeiten nur schlecht ausgebildete Personen.” “Ich wohne in Frankfurt im Hotel Hamburger Hof. Ich dachte, das klingt nach Heimat.”

In Hannover kommt der hessische Geschäftsmann mit reichlich Gepäck. Ein Gepäck-Stück fällt von der Ablage – auf eine der drei dynamischen Damen. Der Herr: “Darf ich Ihnen eine Salbe anbieten, die ich auf Reisen immer dabei habe, weil man sich dabei immer einmal verletzen kann. Ich hole Ihnen Eiswürfel aus dem Bistro.”

Schließlich noch der vietnamesische Loi, der seit sechs Wochen in Hamburg lebt. “Als Ingenieur für Schiffsbau finde ich in Frankfurt keinen Job. Im Juni gehe ich nach Shanghai – Chinesisch ist für mich einfacher als deutsch.”

Und der blinde PR’ler auf dem Weg zum Seminar: “Mein Handy spricht. Mein PC auch…”

Das Posting ist ursprünglich hier erschienen.

7. Juli 2009
by Sascha
1 Comment

Die Reise geht weiter

Auch ich bin täglich im Zug unterwegs. Jeden Tag fahre ich aus der Gegend von Bonn nach Wiesbaden und zurück und ich verbringe jeden Tag 5 Stunden im Zug und auf Bahnhöfen in Lounges. Meine Situation erlaubt es mir täglich, fast den kompletten Personenfuhrpark der Bahn

– RegionalExpress mit 143er Lok und Abteilwagen

– Regionalexpress (Baureihe 426)

– ICE3 (Baureihe 403)

– RegionalBahn (mit 143 Lok und Doppelstockwagen 765.5)

– IC (mit 101er Lok)

– S-Bahn (der Reihe 420/421)

– Lint 41 (Baureihe 648)

zu nutzen. Jede Menge Erfahrungen konnte ich in den letzten vier Jahren sammeln, z.B. dass ein so genannter “Personenschaden” i.d.R. drei Stunden benötigt, es sei denn die Suchmannschaft findet nicht alle zum Körper gehörigen Teile. So muss man schlau Informationen aus dem Bahnhofspersonal saugen, um eventuelle Ausweichstrecken zu nutzen oder auf den ersten Zug zu warten und sich in einer Lounge mit Eis/Kaffee/Brühe und Softdrinks die Zeit zu vertreiben.

img_0178-300x2251

Geschichten habe ich auch Viele bisher erlebt, komische, wie auch tragische, von denen ich hier dann berichten werde.Ich erinnere mich spontan an eine, die ich kürzlich auf dem Bahnhof Koblenz erlebt habe. Es wartete eine junge Frau auf einen IC aus Richtung Frankfurt. Es stieg dann ein verwundeter GI aus mit dem “Vetreran”-Zeichen aus dem Irak aus dem Zug, das Paar ist sich in die Arme gefallen, und es flossen dicke Tränen. Diese (für mich beklemmende) Situation hat mich an die Generation meiner Großeltern erinnert, wie hart es wohl für die Daheimgebliebenen ist, ein geliebtes Familienmitglied im Krieg zu haben…Ich bin froh, dass meine (unsere) Generation das nicht in diesem Maß erleben muss und hoffe sehr, dass es auch so bleiben wird…Zu diesem Thema fällt mir dieses Fundstück ein, fotografiert in einem Doppelstockwagen der Baureihe 765.5.

Übrigens: ich bin kein Rechter, Trainspotter oder Bahnenthusiast, das mit den Baureihen kam zufällig und man merkt sich eben viele unwichtige Dinge.

7. Juli 2009
by Sascha
36 Comments

Hello World: Die Reise beginnt

Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich in einem Zug. In einem ICE, dem schnellsten und bequemsten aller deutschen Züge. Täglich fahre ich zwischen Berlin und Hamburg hin und her, weil ich privat zu sehr an meiner Berliner Heimat hänge und beruflich keinen anderen Job möchte als den in Hamburg. So verbringe ich fünf Tage die Woche mehr als drei Stunden in Zügen. Drei Stunden, in den ich arbeite, lese, nachdenke und die unglaublichsten Dinge erlebe: Wie Menschen Beziehungen eingehen und beenden, wie Menschen Tränen des Glücks und der Trauer vergießen, wie Menschen die absurdesten Diskussionen führen und die faszinierendsten Dinge machen. Ich bin Zeuge, wie manche Mitreisende Intimes aus ihrem Leben preisgeben und vergessen, dass sie nicht alleine sind. Ich höre, wie die Leute um mich herum grunzen, schnarchen, lachen, kichern, glucksen und manchmal auch furzen. Kurz: Ich bin Fan der aufregendsten Soap der Welt geworden – des Bahnfahrens.

Auch Ihr reist mit der Bahn. Vielleicht nicht so häufig wie ich, aber auch Ihr seid ab und an „Im Zug unterwegs“. Setzt beim nächsten Mal nicht instinktiv die Kopfhörer Eures iPods auf, sondern lauscht einmal bewusst, was um Euch herum passiert. Wie die alte Oma gegenüber die Illustrierte liest und dabei mit dem Kopf schüttelt, weil „früher Schauspieler noch Phantasien auslösten – nicht wie dieser Schweiger“. Wie der Mann am Nebentisch lautstark telefoniert und dem kompletten Großraumwagen erzählt, dass „die Alte gestern nun wirklich denkt, wie sind jetzt zusammen – nach nur einer Nacht“. Wie der kleine Junge hinter Euch gerade das Lesen lernt und „der kleine Max Angst im Bunkeln…Mama, was heißt Bunkeln?…Ach so, Dunkeln… im Dunkeln hat.“

In fast jedem Zug, der zwischen Kiel und Konstanz, Cottbus und Saarbrücken unterwegs ist, ereignen sich wunderbare Geschichten: Tragödien wie Komödien. Und Ihr seid Zeuge. Kommt nach Hause und erzählt die Geschichte vom kleinen Jungen, von der alten Oma, von nervigen, telefonierenden Mann. Ihr lacht darüber, und manchmal tun Euch die Mitreisenden auch leid. Eins aber ist sicher: Eure Mitreisenden werden Euch nicht kaltlassen – wenn Ihr Euch auf sie einlasst. Weil jeder Großraumwagen ein Mikrokosmos ist und Ihr auf Menschen stoßen werdet, die Ihr sonst kaum zu Gesicht bekommt, weil sie in Eurem Leben nicht existieren.

Ich lade Euch ein, gemeinsam mit mir die Geschichten vom Bahnfahren zu sammeln. Geschichten von Menschen. Geschichten, die aufregender sind als der Blockbuster im Kino und spannender als Kriminalromane. Geschichten aus dem wahren Leben. Jeder darf und soll mitmachen, solange niemand diskreditiert oder diffamiert wird. Wenn Ihr eine Erzählung hinzufügen wollt, schreibt eine kurze Mail an auchichbin@im-zug-unterwegs.de.

Demnächst wird es hier Werbung zu sehen geben. Die Werbe-Einnahmen gehen nach Abzug der sehr geringen Kosten an gemeinnützige Einrichtungen und Verbände. An welche genau, darüber werden die aktivsten Autoren jeweils zum Quartalende gemeinsam entscheiden.

Nun heißt aber „Gute Fahrt“. Der nächste Halt ist… mit Sicherheit ein Bahnhof.